Wovor hat Tiziana Angst?





«Ich bin Tiziana, 23 und Primarlehrerin. Ich bin in der Schweiz geboren und lebe seither hier in Goldau. Mein portugiesischer Grossvater kam in die Schweiz, um die Familie in Portugal finanziell unterstützen zu können. Er arbeitete dann hier und ging ab und zu zurück nach Portugal. Irgendwann holte er dann die Familie hierher. Der italienische Grossvater kam mit 17 in die Schweiz und lebte seither hier.

Obwohl meine Grosseltern schon lange in der Schweiz leben, kann ich nicht die erleichterte Einbürgerung machen, weil meine Eltern später in die Schweiz kamen als meine Grosseltern. Sie kamen in einem Alter, in dem sie schon mit Arbeiten begannen. Sie waren damals 13 oder 14 Jahre alt. Seither haben sie gearbeitet. Für die erleichterte Einbürgerung ist es aber Voraussetzung, dass meine Eltern 5 Jahre in der Schweiz in die obligatorische Schule gingen.

Ich wäre gerne Schweizerin, weil ich hier aufgewachsen bin, die Ausbildung gemacht habe, ich arbeite hier. Ich könnte mir kein anderes Land vorstellen zum Leben.

Ich habe mir schon mehrmals eine Einbürgerung überlegt. Ich höre einfach immer wieder Geschichten von Personen, die sich einbürgern lassen wollten oder lese davon in den Medien. Geschichten, die mich verunsichern: Da sehe ich Personen, die so gut wie möglich integriert sind und die abgelehnt werden.

Dann frage ich mich halt schon: Lohnt es sich, mehrere 1000 Fr. auszugeben, für die Prüfung zu lernen und so lange zu warten, um schlussendlich abgelehnt zu werden? Aufgrund der Geschichten, die ich höre, habe ich das Gefühl: Egal wie gut ich integriert bin, ich kann nicht wissen, ob ich eingebürgert werde oder nicht.

Ich habe zum Beispiel schon von einem Fall gehört von einer Person, die schon sehr lange hier lebt, ein Unternehmen hat, die Sprache beherrscht. Ihre Einbürgerung wurde trotzdem abgelehnt. Ich habe auch schon von anderen Personen gehört, die bestmöglich integriert waren aber auch abgelehnt wurden.

Diese Geschichten, die ich höre, lösen in mir die Angst aus, dass es bei mir auch nicht klappen könnte. Obwohl ich eigentlich keinen Grund dafür sehe. Solche Geschichten zeigen mir einfach, dass das Einbürgerungsverfahren nicht ganz nachvollziehbar und transparent ist. Das würde ich mir schon wünschen: Dass es nachvollziehbar und fair ist.

Was ich nicht verstehe: Ich muss so ein aufwändiges Verfahren machen – alle meine Schweizer Kollegen müssen das nicht machen. Obwohl wir beide in der Schweiz aufgewachsen sind und nicht einer besser ist als der andere. Das finde ich unfair. Was mich von meinen Schweizer Kollegen unterscheidet ist eigentlich, dass meine Verwandten aus einem anderen Land kommen oder im Ausland leben. Aber sonst unterscheidet uns eigentlich nicht viel.»


In Tizianas Wohngemeinde Arth führte 2016-2018 nur die Hälfte (50%) aller Einbürgerungsgesuche zu einer Einbürgerung. Mehrmals fiel die Gemeinde mit negativen Schlagzeilen auf.