Andi brauchte vier Anläufe





«Ich heisse Andi. Ich bin 25 Jahre alt und arbeite in einem internationalen Wirtschaftsberatungs- und Prüfungsunternehmen. Ich bin am 01.05.1995 in die Schweiz gekommen. Ich wohne seither in Goldau und habe mich hier in der Gemeinde Arth einbürgern lassen.

Geboren bin ich im Kosovo, in der Stadt Gjilan. Meine Eltern sind damals ein paar Monate nach meiner Geburt in die Schweiz gekommen – als Wirtschaftsflüchtlinge, wie man so schön sagt.

Schweizer werden wollte ich, weil ich mich hier von Anfang an als Einheimischer gefühlt habe, auch als ich den Schweizer Pass noch nicht hatte. Ich wollte jeweils wählen und stimmen. Ich wollte mich aktiv politisch beteiligen. Insgesamt stellte ich 4 Gesuche, bis ich den Pass erhielt.»

Versuch #1 – das Deutsch der Mutter

«Bei meinem ersten Einbürgerungsgesuch im Jahr 2005 war ich noch ganz jung, das war in der Primarschulzeit. Meine Eltern haben damals das Gesuch gestellt. Das war noch bei der Fremdenpolizei. Wir wurden als Familie gesamthaft – alle 5 Personen – abgelehnt. Aus dem einzigen Grund, dass meine Mutter nicht so gut Deutsch konnte. Darum hat man gesagt, dass man niemanden von uns einbürgert.»

Auch 2005 war es bereits widerrechtlich, wegen einer Person gleich die ganze Familie abzulehnen (Urteil des Bundesgerichts Oberrohrdorf-Staretschwil, BGE 131 I 18). Die Gemeinde Arth hätte die Familienmitglieder einzeln prüfen müssen.


Versuch #2 – zu wenig integriert?

«Der zweite Versuch war ein paar Jahre später. 2008 oder 2009. Dort war der Ablehnungsgrund, dass wir zu wenig integriert seien. Eine genaue Begründung haben wir nicht erhalten. Wir vermuten allerdings, dass es wieder mit den Deutschkenntnissen unserer Mutter zu tun hatte. Vielleicht auch noch ein bisschen mit jenen von unserem Vater. Aber sonst können wir uns eigentlich nicht erklären, wieso wir damals abgelehnt wurden.»

Versuch #3 – Lehrstelle genügt nicht?

«Bei meinem dritten Einbürgerungsgesuch war ich bereits volljährig und wollte das Gesuch kurz vor meinem Lehrabschluss stellen. Mir wurde aber angeraten, das Gesuch zurückzuziehen, weil ich nach dem Lehrabschluss noch keinen festen Arbeitsvertrag hatte – die geordneten finanziellen Verhältnisse seien nicht gegeben. Ich war damals noch auf der Suche nach einer Arbeitsstelle. Das Gesuch stellte ich im Juni. Das Vertragsverhältnis bei meinem Lehrbetrieb lief noch bis zum August.

Daraufhin habe ich zurückgezogen. Obwohl ich das nicht in Ordnung fand. Ich fühlte mich gut integriert, war in Arther Vereinen tätig. Ich habe mich nicht gefühlt, als könnte man mich ablehnen. Viel eher sah ich mich als Vorbild für andere aus dem Balkan. Im Nachhinein hatte ich dann auch nahtlos eine neue Stelle gefunden. Ich fand es diskriminierend und unfair.

In dem Moment dachte ich aber, dass die Gemeinde Arth Recht hat. Ich hatte mich zu wenig engagiert, um zu überprüfen, ob eine Ablehnung wirklich rechtmässig wäre. Ich hatte Angst, dass mein Widerstand in Zukunft ein Grund sein könnte für eine erneute Ablehnung und fühlte mich unter Druck gesetzt. Ich war halt auch noch ziemlich jung und habe deshalb auch gedacht, dass ich zuerst eine Arbeitsstelle suche und dann noch einmal den Antrag stelle.»

Versuch #4 – eine verschwundene Steuerrechnung

«Ende 2014 stellte ich dann mein viertes Einbürgerungsgesuch. Damals arbeitete ich noch beim Kanton Zürich in der Finanzverwaltung. Mit dem Gefühl, dass nun meine geordneten finanziellen Verhältnisse gegeben sind und dass ich auf eigenen Beinen stehe, habe ich meinen Antrag gestellt.

Die Gemeinde Arth hat mir dann in einem Brief im Mai 2016 mitgeteilt, dass sie meinen Antrag eventuell wieder ablehnen. Mir wurde mitgeteilt, dass ich eine korrigierte, provisorische Steuerrechnung nicht bezahlt hätte. Ich bin davon ausgegangen, dass ich alle meine Rechnungen bezahlt hatte.

Ich habe mir dann juristische Hilfe geholt von einer Anwältin. Dieser habe ich alle meine Steuerunterlagen gegeben. Sie war auch der Meinung, dass ich in diesem Moment nichts Falsches gemacht habe. Es hatte zwar eine korrigierte Steuerrechnung gegeben, die aber zu diesem Zeitpunkt nicht bei mir war und gemäss Steuergesetzbuch innerhalb von 30 Tagen hätte gemahnt werden müssen.

Die Gemeinde Arth hat uns dann mitgeteilt, dass Sie sich noch einmal beraten lassen müssen. Dann, ein paar Wochen später, ist der Entscheid gekommen, dass sie meinen Antrag für die Einbürgerung bewilligen. Das war wirklich erleichternd. Die ganze Einbürgerung hat mich insgesamt 10 Jahre beschäftigt vom ersten Antrag bis zum positiven Entscheid.

Für den dritten und vierten Antrag für die Einbürgerung habe ich insgesamt, inklusive Anwaltskosten, 12'000.- bezahlt. Nur ich alleine, ohne Familienmitglieder. Die Anwaltskosten hat mir leider niemand zurückbezahlt.»

Die Fragen beim Einbürgerungsgespräch

«Bei der Anhörung für die Einbürgerung gab es Fragen, die ich so nicht in Ordnung fand. Die eine war: Ob ich jemals eine Schweizerin heiraten würde. Erstens ist Heirat für mich kein Zwang. Zweitens geht die Frage sehr ins Persönliche. Das hat nichts damit zu tun, ob ich Schweizer bin oder eine andere Nationalität habe. Das darf jeder Mensch für sich selbst entscheiden, was er will. Wen er heiraten möchte. Ob er heiraten will.»

Braucht es Mut, die Geschichte zu erzählen?

«Ich habe lange gezögert, das Video zu machen, weil ich mich unwohl gefühlt habe bei der Frage, wie das jemand aus der Gemeinde, die Kollegen oder das Arbeitsumfeld aufnehmen. Vielleicht hat jemand eine andere Meinung zu Einbürgerungen. Ich finde, es ist schwer für jemanden, der das noch nie erlebt hat und so noch nie gesehen hat, nachzuvollziehen, wie das läuft.

Dann bin ich aber zum Entschluss gekommen, meine Geschichte zu erzählen. Damit vor allem die Jugend, die sich dann einbürgern lassen möchte, sich nicht zu schade ist, alle Unterlagen anzuschauen. Sich vielleicht auch juristische Hilfe zu holen. Damit es in Zukunft besser läuft.»