Amrit: Kollektivablehnung für die Familie





Amrit hat eigentlich – wie alle anderen Geschichten-Erzähler:innen – seine Geschichte vor der Kamera erzählt. Als er das Video seinen Eltern zeigte, baten diese ihn jedoch, das Video nicht zu veröffentlichen. Der Fall zeigt exemplarisch: Oft ist das (befürchtete) soziale Stigma so gross, sind die Konsequenzen so unberechenbar, dass sich die Opfer des unfairen Einbürgerungssystems gar nicht zu wehren trauen.

«Ich heisse eigentlich nicht wirklich Amrit. Meinen Eltern ist diese Geschichte aber immer noch unangenehm – deswegen bleibe ich hier anonym. Als ich 11 Jahre alt war, im Jahr 2005, haben sich meine Eltern entschieden, sich als Familie in einer Schwyzer Gemeinde einbürgern zu lassen. Sie haben sich angemeldet und das Gesuch eingereicht und wir wurden dann als Familie zum Gespräch eingeladen.

Nach ein paar Wochen haben wir dann die Ablehnung bekommen. Der Ablehnungsgrund war, dass mein Vater die Sprache nicht gut genug beherrsche. Darum haben sie dann die gesamte Familie abgelehnt.

Mein Vater kann nicht perfekt Deutsch, aber er war bereits 15 Jahre in der Schweiz am Arbeiten und er kann sich verständigen. Schon gar nicht finde ich es aber in Ordnung, dass wir als ganze Familie abgelehnt wurden. Wir haben dann entsprechend auch sofort reagiert, weil wir fanden, dass es nicht sein kann, dass wegen jemanden die ganze Familie abgelehnt wird. Wir fragten, ob meine Mutter und wir drei Kinder nicht separat behandelt werden können. Das haben Sie dann auch akzeptiert. Wir mussten dann das Gesuch einfach so einreichen.

Jetzt im Nachhinein, 15 Jahre später, finde ich das nicht wirklich in Ordnung. Ich finde das schon ein bisschen speziell. Mein Vater hat die Voraussetzungen nicht erfüllt – aber sie wollten einfach alle zusammen ablehnen. Hätten wir nicht von uns aus nachgefragt, wären wir nicht auf die Gemeinde zugegangen, wären wir einfach alle abgelehnt worden und hätten den Schweizerpass nicht bekommen. Ich finde, sie hätten uns schon informieren sollen, dass wir uns melden können. Aber zum Glück haben wir das sonst erfahren, von Kollegen oder Bekannten und haben uns darum noch einmal gemeldet.

Jede:r Bürgerrechtsbewerber:in hat Anspruch auf eine individuelle Prüfung des Gesuchs. Amrits Geschichte ist schon rund 15 Jahre her und die meisten Gemeinden wissen inzwischen, dass Gesuchsteller:innen einzeln behandelt werden müssen. Trotzdem müssen Bürgerrechtsbewerber:innen nach wie vor immer wieder darum kämpfen, einfach nur rechtlich korrekt behandelt zu werden.

Meine Geschwister und meine Mutter wurden dann an der Gemeindeversammlung angenommen und wir haben dann den Schweizer Pass 3 Jahre nach Einreichung des Gesuchs bekommen. Mein Vater hat sich dann nicht mehr einbürgern lassen, weil es ihm zu kompliziert und anstrengend war, dass er sich sprachlich beweisen muss. Er hat heute noch seinen Herkunfts-Pass.

Ich finde, dass er genug Deutsch kann, für die Zeit, die er nun hier lebt. Aber es ist halt nicht immer grammatikalisch korrekt. Und meine Mutter kann besser Deutsch. Aber auch bei uns gibt es Leute, die sprachbegabter oder weniger sprachbegabt sind.»