Nahomie will mitbestimmen





«Ich bin Nahomie, 22, Kauffrau. Meine Hobbies sind: Tanzen, Blauring, Guggenmusig. Warum bin ich in der Schweiz? Meine Mutter war ein politischer Flüchtling. Meine Familie war damals im Kongo Teil einer Regierung, die gestürzt wurde. Danach wurden alle Familien der vorherigen Regierungsmitglieder verfolgt. Das war ca. vor 20 Jahren. Im Dezember 2000 sind wir in der Schweiz angekommen. Ich war 2 Jahre alt, meine Schwester 8. Seither sind wir hier aufgewachsen.»

Warum willst du Schweizerin werden?

«Ich kenne nichts anderes. Ich kenne die Bräuche, ich kenne das Leben hier. Es ist meine Heimat. Ich fühle mich auch wie eine Schweizerin. Das Einzige, was fehlt, ist das Papierchen. Es ist meine Kultur und meine Heimat. Ich weiss noch bei den ersten Blauringlagern, wenn ich zurückgekommen bin: Dann sah ich die Mythen und hatte dieses Heimtagefühl. Das habe ich jetzt noch, wenn ich zum Beispiel aus dem Ausland zurückkomme. Ich bin fest mit Schwyz verbunden. Auch wenn es nur ein Stück Papier ist: es hat Macht. Es gibt ein Zugehörigkeitsgefühl. Und man kann sich dann auch beteiligen, z.B. bei Wahlen oder auch sonst seinen Input geben.»

Hast du denn jetzt kein Zugehörigkeitsgefühl?

«Umso älter ich geworden bin, umso mehr fühlte ich mich ausgeschlossen. Man realisiert mehr. So mit 16 merkte ich: Ich kann ja nicht Mal abstimmen. Ich kann nicht meinen Input geben. In einem Land, in dem ich gross geworden bin, das ich als mein Heimatland sehe. Da ging es so ein wenig verloren. Als Kinder sind alle gleich, man sieht keine Hautfarbe. Umso älter man wird, umso mehr bemerkt man gewisse Ausgrenzung.»

Warum ist es dir wichtig, wählen zu können?

«Weil es meine Zukunft ist, bzw. die Zukunft meiner Generation. Es wäre natürlich toll, wenn ich mitbestimmen könnte und nicht andere über mein Schicksal, über mein Leben bestimmen lassen muss. Schlussendlich muss ich es auch ausbaden.»

Warum bist du immer noch nicht eingebürgert?

«Es ist ein langer und happiger Prozess. Bevor du dich einbürgern lassen kannst, musst du eine Niederlassungsbewilligung haben – das heisst die Erlaubnis, langfristig hier zu bleiben. Das bekommst du erst, wenn du 10 Jahre in der Schweiz bist. Ich habe die Niederlassungsbewilligung erst seit 2015. Bis jetzt bin ich noch nicht dazu gekommen, meine Einbürgerung zu machen. Ich habe immer wieder Anlauf genommen, aber habe es nie geschafft, das fertigzubringen – es kam die Lehre, andere Dinge.

Aber jetzt finde ich: Es ist jetzt Zeit. Du kannst etwas dagegen machen, es ist ja nicht so, dass du gar keine Chance hast, die Staatsbürgerschaft zu bekommen. Du hast jetzt die Lehre fertig, du hast jetzt auch die finanziellen Mittel und die Zeit, dich damit auseinanderzusetzen.»

Warum ist die Einbürgerung für dich abschreckend?

«Nur schon der Papieraufwand. Du musst zuerst auf die Gemeinde alle deine Dokumente einholen gehen. Ich musste meine Geburtsurkunde aus meinem Heimatland anfordern – das geht ewig. Es ist einfach sehr viel Papierkram. Auch viel, das man lesen muss. Papiere einholen, bestätigen lassen, es ist wirklich ein grosser Aufwand. Als Kind haben es schon einmal meine Eltern angefangen, aber sie mussten dann abbrechen, weil Dokumente wie zum Beispiel die Geburtsurkunde gefehlt haben.

Nur schon bis du alles zusammen hast, die Kosten… Das kann wirklich abschrecken. Aber wenn man es wirklich will, zieht man es durch. Aber ich finde man könnte es ein wenig angenehmer machen. Und es ist nur der Anfang. Man denkt sich dann so: Wenn ich jetzt schon so viel Aufwand habe für das Kleine, wie geht es dann weiter? Dann muss man noch ein Deutsch-Zertifikat bringen, man muss noch unsere Berge, Seen, Bräuche, die Geschichte lernen und einen Test darüber ablegen. Und ich habe schon viele Tests gesehen – wir haben das auch in der Schule angeschaut – wo ich bemerkte: Auch ganz viele Schweizer können diese Fragen nicht beantworten. Und dann stell dir vor, was jemand, der das als Erwachsener lernt, für Probleme damit haben wird. Das ist ein schmaler Grat zwischen «machbar» und «einfach nur ein weiteres Hindernis».

Die Leute wollen sich nicht einfach so einbürgern lassen. Sie wollen dazugehören, mitsprechen können und schwarz auf weiss das Zugehörigkeitsgefühl haben. Wirklich effektiv das Land, in dem man aufgewachsen ist als sein eigenes Heimatland anerkennen und auch von diesem Land anerkannt werden. Man kennt ja sonst nichts Anderes. Anstatt den Leuten noch mehr Steine in den Weg zu legen und das Leben zu erschweren, muss man sich auch mal in ihre Situation versetzen und sich überlegen, was sie motiviert, diesen langen Prozess auf sich zu nehmen.

Es geht mehrheitlich darum, ein Heimatgefühl zu haben, mitbestimmen zu können, einfach sagen zu können «Das ist meine Heimat, ich lebe hier, ich wohne hier, ich bin gern hier». Und das geht leider verloren, weil es einfach nur administrativ angeschaut wird, man wird nur als Zahl betrachtet. So geht das Gespür verloren, dass es eigentlich ein Mensch ist, der einfach hier sein will und seinen Beitrag leisten will.»