Ist Ayse zu arm?





Ayse hat eigentlich – wie alle anderen Geschichten-Erzähler:innen – ihre Geschichte vor der Kamera erzählt. Kurz vor der Veröffentlichung entscheidet sie sich jedoch um. Zu gross ist die Befürchtung, der Sozialhilfebezug – oder besser: die damit verbundenen Vorurteile – könnten ihr später zum Verhängnis werden.

«Ich heisse eigentlich nicht wirklich Ayse. Ich möchte aber nicht, dass ich wegen dem Video Probleme bekomme – zum Beispiel, wenn ich mich für einen Job bewerbe. Ich bin 22 Jahre alt und lebe seit 12 Jahren in einer Gemeinde im Kanton Schwyz.

Vor zwei Jahren fragte ich auf der Gemeinde nach, ob ich mich einbürgern lassen kann. Es hiess dann, dass ich Sozialhilfe bezogen habe und ich diese zurückzahlen müsse. Mit 18 war ich noch in Ausbildung und meine Eltern konnten mich damals leider nicht unterstützen, weil sie finanziell nicht unabhängig waren. Als ich 18 war, bekam ich darum für 2 Monate Sozialhilfe – bis ich finanziell unabhängig wurde.

Das waren insgesamt 2000 Franken, die ich inzwischen zurückbezahlt habe. Als ich das getan hatte, hiess es dann aber, ich könne mich trotzdem nicht einbürgern lassen, weil ich in den letzten 5 Jahren keine Sozialhilfe bezogen haben dürfe – egal, ob ich es zurückbezahlt habe, oder nicht. Im Kanton Schwyz ist es so, dass man in den 5 Jahre vor der Einreichung des Einbürgerungsgesuchs keine Sozialhilfe bezogen haben darf. Von 5 zusätzlichen Jahre davor, also insgesamt 10 Jahren, muss man alles zurückbezahlt haben.»



Hinweis: Neue Rechtslage – Sozialhilfe ist nicht zwingend Ausschlusskriterium!

In zwei Urteilen vom Dezember 2019 hat das Bundesgericht festgehalten, dass bei der Beurteilung der Integration immer eine Gesamtbeurteilung gemacht werden muss. Auch wenn jemand das Kriterium zur Sozialhilfe nicht erfüllt, muss die Integration dieser Person also trotzdem bejaht werden, wenn sie diese Schwäche durch Stärken bei den anderen Integrationskriterien ausgleichen kann.

Für Personen, die während der Erstausbildung Sozialhilfe bezogen haben, darf diese nach Art. 9 BüV seit Januar 2018 überhaupt nicht mehr als Negativkriterium herangezogen werden.